Fan.tastische Frauen

In Vorstandsgremien, Fandachverbänden, Ultra-Gruppierungen, Fankurven, auf Sitzplätzen, auf der Medientribüne: Frauen sind im Fussball vielerorts zu finden. Die Wanderausstellung «Fan.Tastic Females. Football.Her Story» widmet sich ihnen und tourt im Moment durch die Schweiz.

Es wird Abend. Unzählige Menschen befinden sich auf dem Weg zum Stadion, alle haben diesem Moment des Spiels entgegengefiebert. Sie biegen etwas früher oder später ab, um ihren angestammten Platz zu erreichen, je nach Sektor. Einige tragen Schals in den Farben ihres Teams oder T-Shirts ihrer Ultra-Gruppierung. So weit, so klassisch.

Was bei den Tragenden dieser spezifischen T-Shirts überraschen mag? Es sind ausschliesslich Frauen. Frauen, die einst mit ihren Müttern, Vätern, Tanten, Onkeln oder Freundinnen und Freunden das erste Mal ins Stadion sind. Frauen, die selbst den Weg in die Kurve fanden. Frauen, die seit klein auf oder erst seit kurzem dabei sind. Ihnen allen ist gemein: Sie lieben Fussball, sie engagieren sich, sie sind – in diesem Beispiel – Mitglieder der Gruppierung Ladies Curva Sud, welche seit 2012 Teil der Brigata Curva Sud, einer Gruppierung von PSS Sleman in Indonesien, ist.

90 Porträts aus über 20 Ländern

Die Ladies Curva Sud haben mehr als tausend Mitglieder und sind damit sicherlich eine der grössten weiblichen Ultra-Gruppierungen. Sie sind ausserdem eines der Beispiele von Frauen im Fussball, die in der Ausstellung «Fan.Tastic Females. Football.Her Story» im Zentrum stehen. Wie der Titel anklingen lässt, fokussiert diese auf weibliche Fans und ihre Geschichte(n), auf weibliche Fankultur und Themen wie etwa die Darstellung von weiblichen Fans in den Medien. Aus einer Idee am Europäischen Fankongress der Football Supporters Europe entstanden, haben die Organisatorinnen und Organisatoren Frauen mit den unterschiedlichsten Hintergründen aus mehr als 20 Ländern getroffen und etwa 90 von ihnen porträtiert.

So finden sich neben dem Porträt der Ladies Curva Sud weitere von Frauen, die diverse Rollen im Fussballumfeld einnehmen: zum Beispiel Maria Lemberg, die Fan von Hammarby IF ist und im Vorstand der nationalen Supporter-Gruppe von Hammarby sowie im schwedischen Fandachverband sitzt. Simge Yilmaz, die Göztepe in Izmir unterstützt und die erste Frauenfangruppe in der Türkei mitbegründet hat. Beatrix Schleiken, die Teil des Vorstands der Fanabteilung von Borussia Dortmund ist. Mina Finstad Berg, die eine der ersten Fussballkommentatorinnen in Norwegen ist. Oder Jasmin, die Teil der Ultra-Gruppierung Ragazze Berna der Young Boys ist.

In allen diesen Porträts werden weibliche Fans, ihre Rollen und Räume, welche sie in einem immer noch männlich-dominierten Umfeld einnehmen (können), vermehrt sichtbar gemacht. Dies entspricht auch einem der Ziele der Organisatorinnen und Organisatoren, wie sie auf der Webseite schreiben: «Die Geschichte von Frauen im Fussball ist vielerorts vor allem eines – unsichtbar. In Football Her.Story soll erstmals der Versuch unternommen werden, in einem Ausstellungsformat die Historie weiblicher Fankultur und den Weg von Frauen im Fussball in Europa von damals bis heute zu ergründen».

Präsenz und Erfahrungen der Frauen

Mit der expliziten «Perspektive der Protagonist*innen selbst» und mit der Absicht, «die Geschichten fan.tastischer Frauen [zu] erzählen – über ihre Liebe und Leidenschaft für den Sport, über ihren Weg auf die Tribünen, ihre grossartigsten, eindrucksvollsten, lustigsten aber auch ihre weniger schönen Momente im Fussball», wird die Präsenz, werden die Erfahrungen von Frauen im Fussball eindrucksvoll beleuchtet und betont, ohne dabei die negativen Aspekte nach wie vor existierender Diskriminierung oder Sexismus aussen vor zu lassen.

Grössere Bedeutung kommt der Ausstellung auch insofern zu, als dass damit vermehrt Themen ins Bewusstsein gerufen werden, die auch im Rahmen des Fussballs und dessen öffentlicher Bedeutung zu diskutieren sind: so zum Beispiel die Frage nach den Beteiligungsmöglichkeiten von Frauen, nach den Rollen und Räumen, die Frauen einnehmen und einnehmen können, und nach den Wahrnehmungen, Kategorisierungen und Stereotypen, welche in Bezug auf Geschlecht im Fussball nach wie vor existieren und auf verschiedenen Ebenen immer wieder transportiert werden.

Als ein Beispiel denke man im lokalen Kontext an das Gender-Marketing mit den pinken Caps oder an die Ladies Days, die von Clubs in der Vergangenheit in einer Anlehnung an den Bachelor-Diskurs beworben worden sind. Die Ausstellung «Fan.Tastic Females» fordert mit ihrem Fokus auf die Vielfalt von weiblicher Beteiligung genau solche Wahrnehmungen und Stereotypen heraus, ohne sie zu befeuern, und zeigt damit äusserst eindrucksvoll und detailreich, wie Frauen ihre Leidenschaft für den Fussball leben.

Während man noch unzählige Seiten mit weiteren Beispielen dafür füllen könnte: Viel besser ist es, die Ausstellung selbst zu besuchen. Noch bis am 8. März werden in Bern die Porträts der rund 90 Frauen gezeigt.


Fan.Tastic Females. Football.Her Story: www.fan-tastic-females.org

Die Ausstellung wandert von Ort zu Ort; in der Schweiz war sie bereits in Bremgarten bei den Teilzeitfans Wohlen und auf dem ParkPlatz in Zürich zu sehen und ist nun in Bern stationiert.

Ein Dank geht an Matthias Luterbach vom Zentrum Gender Studies der Universität Basel für die informative Diskussion zu dieser Thematik.