Seit Bernhard Heusler vor drei Jahren die Führung des FC Basel aus der Hand gegeben hat, ist es beim einstigen Krösus der Liga unruhig geworden. Die neue Clubführung um Bernhard Burgener steht nach zahlreichen Vorkommnissen (Auszüge sind unter anderem hier, hier und hier nachzulesen) in der Kritik.
Im letzten Sommer hat sich mit «Yystoo für e FCB!» eine breit abgestützte Bewegung von FCB-Fans aus allen Sektoren und Gesellschaftsschichten gebildet, die der Kritik einen Rahmen geben, entstandene Verwerfungen zwischen der Clubführung und der Fanbasis thematisieren und sich aktiv einbringen will. Daniel Schreier und Tobias Adler sind Teil dieser Bewegung und stellen sich in einem «Yystoo»-Fünfer-Ticket zur Wahl in den Vorstand des Vereins FC Basel 1893, der 25 Prozent der Aktien in der FC Basel 1893 AG hält.
SENF: Kritik an der Führung des FC Basel gab es auch bereits vor der Gründung von «Yystoo». Warum hat sich die Bewegung gebildet?
Daniel: In diesem Sommer hat man gar nicht mehr in die Zeitung schauen können, weil man gewusst hat, dass schon wieder die nächste Geschichte kommen wird. Das hat unter uns Fans grosse Wellen geworfen. Irgendwann haben sich einige Fans zusammengesetzt und eine «Kropfleerete» gemacht, in einem regen Austausch die Ziele, die Stossrichtung und den Weg, den wir einschlagen wollen, diskutiert. Dass so viele verschiedene Personen mit unterschiedlichen Hintergründen ihre Perspektive eingebracht haben, ist eine der Stärken von «Yystoo».
Tobias: Über die vergangenen drei Jahre ist immer mehr Vertrauen verloren gegangen, dass diese Führung noch fähig ist, den Club in eine positive Zukunft zu führen. Von Anfang an stand daher bei «Yystoo» im Zentrum, einen Weg zu finden, die Kritik, die auf der Strasse sichtbar war, zusammenzubringen, aber auch einzubringen und etwas zu verändern. Relativ schnell haben wir gemerkt, dass der Verein FC Basel 1893 beziehungsweise der Vereinsvorstand derjenige Ort ist, an dem wir versuchen können, etwas zu verändern. Auch aufgrund des Konstrukts des FC Basel.
Der FC Basel, der in der Super League spielt, ist eigentlich die FC Basel 1893 AG, deren Aktien zu 75 Prozent bei der FC Basel Holding AG und zu 25 Prozent beim Verein FC Basel 1893 liegen. Bernhard Burgener ist Mehrheitsaktionär der Holding AG und aktuell Präsident des Verwaltungsrates der FC Basel 1893 AG und der Holding AG sowie Präsident des Vorstandes des Vereins FC Basel 1893. Eines der Hauptziele von «Yystoo» ist, dass ein unabhängiger Delegierter oder eine unabhängige Delegierte des Vereins die Interessen des Vereins als 25 Prozent Minderheitsaktionär im Verwaltungsrat der FC Basel 1893 AG vertritt.
SENF: «Yystoo» hat eine Kerngruppe. Wer ist hier involviert und wie muss man sich das vorstellen, auch vor dem Hintergrund, dass ihr für viele FCB-Fans sprechen wollt?
Daniel: Die Kerngruppe besteht aktuell aus rund 20 Personen, die sich regelmässig treffen und ganz verschiedene Meinungen einbringen. Unsere Legitimation ist einerseits, dass wir mit Engagement etwas angehen wollen, weil es nicht mehr so weitergehen kann. Gerade in diesem Sommer, mit den öffentlichen Protesten, war es wichtig, dass wir uns in der Pflicht sehen, etwas Konstruktives auf die Beine zu stellen. Andererseits sind wir Personen, die sich sehr viel mit dem FCB beschäftigen, uns engagieren und vernetzen, und sehr divers in Bezug auf Sektoren, Altersgruppen und Sozialisierungen sind.
SENF: Aktuell sind 9’281 Personen online für den FCB eingestanden. Entspricht das euren Erwartungen?
Tobias: Hätte uns jemand gesagt, dass wir gegen 9’000 Unterzeichnende haben werden, hätten wir das zu Beginn für sehr hoch gehalten. Doch es widerspiegelt den Unmut und den Wunsch nach Veränderung in der Stadt, der Region, und darüber hinaus, schon ziemlich gut, würde ich sagen.
Daniel: Als mir jemand gesagt hat, dass wir mehr Unterzeichnende haben, als der Verein FC Basel 1893 Vereinsmitglieder, fand ich das sehr eindrücklich. Wir haben aber auch Glück gehabt, weil wir genau den richtigen Zeitpunkt getroffen haben. Die Corona-Diskussionen waren zum Zeitpunkt der Lancierung von «Yystoo» ein wenig abgeflacht und gleichzeitig hat sich in Vorstand und Verwaltungsrat Fehler an Fehler gereiht.
SENF: Die Breite der Bewegung ist immer wieder ein Thema. Gleichzeitig sind Fussballfans oft sehr unterschiedlicher Meinung. Gab es für euch Schwierigkeiten, die diversen Interessen unter einen Hut zu bringen?
Daniel: In unserer Zusammenarbeit nicht, nein. Wir versuchen, zusammen Lösungen zu finden. Aber natürlich ist es gerade in der sehr diversen Fangemeinde auch nicht immer möglich, es allen recht zu machen.
Tobias: Eine unserer grössten Herausforderungen ist vielleicht weniger die Breite an Meinungen in unserer Kerngruppe als vielmehr die Kommunikation an alle FCB-Fans, die sich weniger intensiv mit der Sache beschäftigen. Für die sich der Fussball mehr auf den Matchtag beschränkt. Nichts gegen das natürlich, aber diese Personen abholen zu können, ist wohl die anspruchsvollste Aufgabe.
Daniel: Um ein Beispiel zu geben, die Vereinsstatuten beschäftigen uns aktuell sehr. Wir haben sie gelesen, eine Übersicht erstellt und darin aufgeführt, wo dringend nachgebessert werden muss. Weil wohl sehr wenige der Vereinsmitglieder die Motivation oder das Interesse haben werden, die Statuten durchzupflügen, möchten wir erklären, warum das wichtig ist und wo man wirklich ganz genau hinsehen muss. Den aktuellen Vorschlag der Statutenänderungen kann man so nicht annehmen.
Tobias: Es geht vor allem um Vertrauen. Dass die Leute merken, dass unsere Empfehlungen im Sinne eines Vereinsmitglieds, eines Fans sind.
Der Vorstand des Vereins FC Basel 1893 (unter anderem Bernhard Burgener, der sich an der kommenden GV jedoch nicht mehr zur Wahl als Vereinspräsident stellt) hat eine Totalrevision der Statuten vorgeschlagen, über die am 9. November abgestimmt wird. «Yystoo» lehnt diese Revision aus verschiedenen Gründen ab.
SENF: In euren Zielen sprecht ihr von einem «Übergang zu einer neuen, lokal verankerten Clubverantwortung in Form neuer Besitzverhältnisse». Ist das explizit die Forderung nach einem Rücktritt von Bernhard Burgener und CEO Roland Heri?
Tobias: Weil «Yystoo» aus dem Vertrauensverlust gegenüber der Clubführung entstanden ist, trägt «Yystoo» diese Forderung nach einem Wechsel mit sich mit. Auch wenn es jetzt vielleicht Signale der Clubführung gegeben hat, Veränderungen in der Transferpolitik, in der Kommunikation, gibt es noch nichts, was das verlorene Vertrauen wiederhergestellt hätte. Wir sind auch immer noch der Meinung, dass sich eine Clubführung an einer GV des Vereins vor den Vereinsmitgliedern zu verantworten hat, juristisches Gesamtkonstrukt hin oder her. Wenn der Verein dem oder der Vereinsdelegierten aufträgt, in der AG nicht für Burgener und Heri zu stimmen, sollten die Mitglieder den beiden damit das Vertrauen entziehen, sind wir der Meinung, dass sie die entsprechenden Konsequenzen ziehen müssen. Andererseits kommen Dani und ich natürlich, wenn wir in den Vereinsvorstand gewählt würden, in die Situation, dass wir auch mit ihnen zusammenarbeiten müssten.
SENF: Wobei «neue Besitzverhältnisse» auch strukturelle Änderungen implizieren können. Strebt ihr solche auch an?
Daniel: Ich würde sagen, Schritt für Schritt. Für uns geht es erst einmal darum, dass wir mit unseren drei Zielen gut unterwegs sind. Dass an der GV des Vereins möglichst viele unserer unabhängigen Kandidatinnen und Kandidaten in den neuen Vorstand gewählt werden, dass wir die Statuten angehen und damit Strukturen schaffen, die im Verein Bestand haben. Momentan vertritt die gleiche Person als Vereinspräsident und Delegierter des Vereins Vereinsinteressen im Verwaltungsrat der FC Basel 1893 AG, die auch als Vorsitzender der AG und Holding im Gremium sitzt. Eines unserer Kernziele ist darum, dass der oder die Delegierte des Vereins, der/die von der Mitgliederversammlung gewählt wird und 8'500 Vereinsmitglieder hinter sich hat, unabhängig ist und sich ohne Interessenskonflikte im Verwaltungsrat der FC Basel 1893 AG einbringen kann.
Tobias: Schlussendlich geht es darum, dass es einerseits die juristischen Konstrukte und andererseits gewisse Verträge zwischen diesen juristischen Konstrukten gibt. Der oder die Delegierte des Vereins muss in diesen Konstrukten die Interessen des Vereins und seiner Mitglieder wahrnehmen.
An der kommenden GV des Vereins FC Basel 1893 vom 9. November stellt «Yystoo» ein Fünfer-Ticket zur Wahl in den Vereinsvorstand, bestehend aus Tobias Adler, Daniel Schreier, Jo Vergeat, Silvia Schenker und Patrick Fassbind. Diese fünf stellen sich zur Wahl, als von der FC Basel 1893 AG und der FC Basel Holding AG unabhängige Kandidatinnen und Kandidaten.
SENF: Das ist der Punkt, an dem ihr Einfluss nehmen wollt?
Daniel: Was wir konkret versuchen ist, jemanden an diesen Tisch zu setzen, der einen direkten Draht zum Vereinsvorstand hat und der ein Bindeglied zwischen AG, dem Vereinsvorstand und der sehr breiten Fanbasis bildet. Und in dieser Schlüsselposition Punkte einbringt, die in der Vergangenheit nicht in Entscheidungsprozesse eingeflossen sind, oder stellvertretend für die Fanbasis auf Missstände hinweist.
SENF: Wo seht ihr Grenzen?
Tobias: Beim Finanziellen. Keiner von uns verfügt über Millionen auf seinem privaten Konto. Das Ziel von «Yystoo» ist nicht, neuer Club-Besitzer zu werden, und wir haben auch keinen Fünf-Jahres-Plan, um den FCB neu aufzustellen, das darf man ehrlich sagen. Wir fokussieren aktuell auf die GV des Vereins im November und dann auf erste inhaltliche Punkte, insbesondere die saubere Überarbeitung der Statuten. Also der Verfassung des Vereins. Alles andere ist «learning by doing».
SENF: Die aktuelle Führung hat im Sommer verschiedentlich betont, dass die Kritik verschwinden würde, wenn man mehr Erfolg hätte. Was sagt ihr dazu?
Daniel: «Yystoo» hätte es auch gegeben, wenn der FCB zweimal Meister geworden wäre und wenn die gleichen Fehler beim Personellen, bei der Kommunikation gemacht worden wären. Vielleicht wäre es später gekommen, aber es wäre gekommen. Sportliches und Handwerkliches muss man einfach trennen, Erfolg ist nicht alles im Leben.
SENF: Habt ihr Alternativen zu Burgener und Heri?
Tobias: Konkret haben wir keine andere Lösung, das ist eine andere Flughöhe und von uns auch von Anfang an klar kommuniziert worden. Uns geht es darum, dass der Verein mit seiner Geschichte und seiner Bedeutung gegenüber den anderen Konstrukten abgesichert ist und dass Kontrollmechanismen in Zukunft Personenunabhängig funktionieren.
Daniel: Der Verein muss in Zukunft so stark sein, dass man, zum Beispiel im Falle einer möglichen Übernahme eines Konsortiums aus dem Arabisch-Chinesischen Raum, ein Argument hat, das dann auch gewisse Investment-Interessen deutlich zurückstellen würde.
Tobias: Die Bedeutung, die der Verein hat, ist uns tatsächlich nicht bewusst gewesen. Viele aus meinem Umkreis wurden zuerst Mitglied der Stadion-Genossenschaft, als es um die Sicherung des Namens des Joggeli und den Besitz des Stadions gegangen ist. Jetzt langsam verstehen wir erst, welche Bedeutung der Verein auch abseits des 25 Prozent Aktienanteils hat – der Verein ist die ganze Geschichte und Grundlage des FCB. Wenn man dort Vertrauen verliert und das Mandat, den Club zu führen, nicht mehr erhält, muss man Konsequenzen ziehen. Diese Bedeutung hervorzuheben, den Leuten bewusst zu machen, wen der Verein repräsentiert, ist eine unserer Hauptaufgaben.
SENF: Tobias, wie ist es für dich, dich als Vertreter der Muttenzerkurve für den Vereinsvorstand zur Verfügung zu stellen, und was hat dich dazu bewogen?
Tobias: Auch die Muttenzerkurve ist aktuell in ihrem Handeln stark eingeschränkt, weil die Möglichkeit, ins Stadion zu gehen und dort Meinungen zu äussern, nicht vorhanden ist. Dass man sich dann in dieser speziellen Situation für eine Mitwirkung auf diesem «organisatorischen» Weg entscheidet, ist in dem Sinne verständlich. Schlussendlich hat sich schnell herauskristallisiert, dass es Sinn ergibt, wenn auch jemand aus dem Sektor, in dem die Muttenzerkurve beheimatet ist, Teil des Fünfer-Tickets für den Vereinsvorstand ist, auch aufgrund der Breite, die wir zu repräsentieren versuchen.
Daniel Schreier ist Wissenschaftler und FCB-Fan seit seinem ersten Matchbesuch, einem fulminanten 5:1 gegen Vevey Sports, unmittelbar nach der WM 1982. Er ist langjähriges FCB-Vereinsmitglied und setzte sich unter anderem für den Erhalt der Freimitgliedschaft im Verein FC Basel 1893 ein.
Tobias Adler verantwortet die Gesundheitsapps bei einer grossen Krankenversicherung. Für seine Beziehung zum FCB gilt die Geschichte, die in einem Fansong erzählt wird, nur in etwas abgeänderter Form: «Sait d Mamme zu ihrem Sohn…».
Zusammen mit Jo Vergeat, Silvia Schenker und Patrick Fassbind kandidieren sie im «Yystoo»-Fünfer-Ticket für den Vereinsvorstand des Vereins FC Basel 1893.