
Der FC St.Gallen verliert das Spiel gegen Lugano nach einem Eingreifen des Videoschiedsrichters Alain Bieri. Einem Eingreifen, dass Schiedsrichterchef Dani Wermelinger im Nachhinein als falsch beurteilt.

Einmal mehr diskutiert die Fussballschweiz eine Entscheidung des Videoschiedsrichters. Beim Spiel zwischen dem FC St.Gallen und dem FC Lugano interveniert Tim Staubli im eigenen Strafraum gegen Roman Macek. Die Tessiner reklamieren, wollen einen Penalty.
Schiedsrichter Fedayi San lässt erst weiterlaufen, schaut sich die Szene aber auf Intervention des Videoschiedsrichters nochmal an. In der Folge zeigt er doch noch auf den Punkt, Luganos Mijat Maric verwandelt den Elfmeter, die Gäste gewinnen 1:0.
Darf er das?
Die Diskussion, die sofort nach der Szene entfacht, ist die gleiche wie immer. Sie entzündet sich vor allem an einer Frage: Durfte der Videoschiri überhaupt eingreifen? Das darf er nur, wenn ein klarer und offensichtlicher Fehlentscheid vorliegt.
Für viele war am Sonntag klar: Das war es nicht. Eine nachvollziehbare Sichtweise. Eine Berührung gab es zwar unzweifelhaft, aber es scheint nicht viel mehr als eine gewöhnliche Strafraumszene gewesen zu sein. Ein klassischer Fall von «kann man pfeifen, muss man nicht». Das scheint die Bestätigung dafür, dass es eben keine offensichtliche Fehlentscheidung war. Doch ganz so einfach ist die Situation nicht.
Schiedsrichter San sah die Berührung nicht
Schon vor dem Lugano-Spiel haben wir uns für die in zehn Tagen erscheinende 13. SENF-Ausgabe mit Alain Bieri unterhalten. Im Interview schildert er unter anderem, dass sich der Schiri-Alltag mit der Einführung des VAR verändert hat. Wer auf dem Platz steht, spricht mit dem Videoschiri: «Jetzt kommentiere ich meine Entscheide, sage zum Beispiel bei einer Strafraumszene ‘leichtes Stossen, das reicht nicht’. Dann weiss der Videoschiri, was ich beurteilt habe. Wenn der VAR sich dann diese Szene anschaut und feststellt, dass es zusätzlich unten bei den Füssen ein Foul gab, weiss er, dass ich das gar nicht gesehen habe und kann entsprechend intervenieren.»
Ein Zitat, das noch vor Weihnachten gefallen ist, und trotzdem gut auf die Szene im Spiel gegen Lugano passen könnte.
Wir fragen bei Spitzenschiedsrichter-Chef Dani Wermelinger nach, wie es zu diesem Eingreifen gekommen ist. Und tatsächlich: «Der Schiedsrichter hat die Berührung nicht gesehen und hat das dem VAR auch so mitgeteilt. Dies führte zur Intervention des VAR, eine Berührung im Fussbereich war für den Fall des Spielers von Lugano verantwortlich. Der Schiedsrichter kann bekanntlich nach Konsultation der TV-Bilder entscheiden, ob er ein Entscheid umstossen will oder nicht. Es war also nicht so, dass es der VAR war, der auf Penalty entschieden hat.»
Also alles richtig? Nicht ganz. «Im Debriefing nach dem Spiel, unter anderem mit VAR Alain Bieri, der seinen Fehler bedauerte, kamen wir zum Schluss, dass hier trotz der Tatsache, dass der Schiedsrichter die Berührung nicht gesehen hat, eine Intervention nicht angebracht war. Es ist zwar technisch ein Vergehen. Der Entscheid, das Spiel laufen zu lassen, war aber nicht in dem Sinne klar und offensichtlich falsch.» Die Szene sei ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Schiedsrichter noch immer in einem Lernprozess bewegten. «Und wir leider immer noch Fehler machen, was wir natürlich bedauern.»
Warum Bieri zu den Entscheiden beim 3:3 steht
Davon können sich der FC St.Gallen und seine Fans natürlich nichts kaufen. Es zeugt aber von Grösse, Fehler nach dem Spiel zuzugeben. Anstatt sich auf den auch nicht völlig abwegigen Standpunkt zu stellen, dass es nun mal ein offensichtlicher Fehlentscheid gewesen sei, dass San die Berührung nicht gesehen habe.
Eine Offenheit und Ehrlichkeit, die Alain Bieri auch im erwähnten Interview an den Tag legt. In diesem erklärt er, warum sich die Schiedsrichter auf dem Feld gewisse Szenen auf Intervention des VAR nochmal anschauen müssen und andere nicht, warum das noch nichts mit der Offensichtlichkeit des Fehlers zu tun hat und warum er die Diskussion über den Sinn gewisser Regeln durchaus für angebracht hält.
Natürlich sagt er uns auch, wie er das 3:3 zwischen dem FCSG und YB erlebt hat und warum er zu jenen Entscheiden nach wie vor steht. SENF #13 mit ebendiesem Interview erscheint am 4. Februar, hier kannst du die Ausgabe bereits vorbestellen.