SENF: Verschiedene Elemente aus dem Film widerspiegeln Elemente europäischer Fanszenen sehr stark. Was sind Hauptorientierungspunkte der Fans oder Fanszenen, welche ihr begleitet habt?
Polomski: In Indonesien ist Italien das Vorbild. Ganz klar. Als begonnen wurde, Fussball in Indonesien zu zeigen, gab es nur die Bildrechte für die Serie A. So hat jeder Indonesier ausschliesslich die Serie A gesehen, wenn er Profifussball aus Europa schauen wollte. Da kommt dieser ganze Ultra-Gedanke her, die Indonesier haben das als Inspiration genommen. In Bandung, wo unser Erstlingsfilm herkommt, ist das ein bisschen anders. Es gibt nur eine kleine Gruppe, die in einer ganz anderen Ecke im Stadion steht und den komplett italienischen Stil fährt. Und oft nennen Fans auch türkische Vereine, meistens Galatasaray Istanbul, als Vorbild.
SENF: Wie äussert sich diese starke Orientierung an Italien?
Polomski: Sehr viele Fahnen, ein komplett geschlossener Support. Die Fans machen 90 Minuten ausschliesslich, was der Capo sagt. Nichts Anderes. Bei PSS Sleman, wo wir gerade waren, einem Zweitliga-Verein, geht das sogar so weit, dass sie vor dem Spiel nichts Scharfes essen und keine kalten Getränke zu sich nehmen sollen, weil das auf die Stimme geht. Das sind ungeschriebene Gesetze. Und 90 Minuten Dauersupport ist dann tatsächlich auch zu beobachten. Es ist nicht bloss ein Ideal, an das man heranzukommen versucht. Wenn man da ist, sieht man, dass das genau in der Form funktioniert. Für uns war das das Beeindruckendste: Sie ziehen wirklich 90 Minuten komplett an einem Strang.
SENF: Und was sind merkliche Unterschiede zu europäischen Szenen?
Polomski: In Sleman geht alles, was im Brigata Curva Sud Shop, dem Ultras-Shop, verkauft wird, zu 100 Prozent an den Verein. Wenn sie Choreographien machen, sammeln sie im Stadion unter sich noch einmal extra. Das ist einer der grössten Unterschiede zu Europa. Ein weiterer ist die Organisation der Fans. Viele Jobs, welche in Europa von Sicherheitskräften ausgeübt werden, von der Polizei oder privaten Sicherheitsdiensten, werden von den Fans übernommen. Wenn du hier oder in Deutschland mit Bussen auswärts fährst, wirst du von Polizisten eingerahmt und auf eine Raststätte gezogen, sobald die Polizei mitkriegt, dass die Fanszene von XY auf der Autobahn in diese Richtung fährt. In Indonesien ist das überhaupt nicht der Fall. Die Fans sind komplett sich selbst überlassen. Wenn sie durch gefährliche Gebiete von rivalisierenden Fanszenen fahren, wird vorher der komplette Konvoi angehalten, es wird mit Funkgeräten koordiniert, wie sie durch die Stadt fahren, und jedes Auto hat seinen korrekten Platz. Mit absolut minimaler Polizeipräsenz, auf externe Kräfte legt da niemand wert.
SENF: Gibt es länder- und szenespezifische Einflüsse, wo eine eigene Identität erkennbar wird bei den Szenen?
Polomski: Auf jeden Fall. In Indonesien geht Fanszene-technisch wohl am meisten. Obwohl sie viele Gesänge kopieren, haben sie trotzdem lokale Gesänge und Kulturgüter. Sie bringen Dangung – eine traditionelle zentral-javanische Musikform, Lieder und Rhythmen – genauso ein wie europäische Gesänge und bewahren ihre lokale Kultur. Und Indonesien ist ein riesiges Land, es gibt auch regionale Einflüsse. Die Vereine sind wahnsinnige Identitätsanker. Egal wo wir als Football Fans Asia hingefahren sind, wenn wir die Menschen gefragt haben, was der Verein für die Stadt bedeutet, was die Stadt für den Verein bedeutet: Das geht immer Hand in Hand. Das ist untrennbar verbunden und der Fussball ist wahrscheinlich jeweils der Hauptidentitätsmarker.