Geisterwoche #7: Das wars jetzt wirklich

Unter dem Titel «Geisterwoche» begleitet das SENF-Kollektiv den Rest der Saison 2020/21. Der FC St.Gallen ist nicht Meister geworden, hat aber die beste Saison seit einer gefühlten Ewigkeit gespielt. Ruben blickt auf die letzten zwei Spiele dieser Saison, gegen Xamax und YB, zurück.

Ruben gibt seinem Text den Titel «Nicht alles, was fehlt, wird auch vermisst»

Vor dem letzten Heimspiel gegen Xamax ist für den FC St.Gallen theoretisch noch alles möglich. Gewinnen die Espen gegen den bereits als Absteiger feststehenden Gegner und patzt YB, käme es tatsächlich zum Entscheidungsspiel in Bern. Entsprechend ist der Saisonschlussspurt am Donnerstag das grosse Thema in der Stadt. Beim Feierabendbier oder beim Abendessen in der Stadt (und vermutlich darüber hinaus): Immer wieder treffe ich an diesem Donnerstag andere Fans und wechsle ein, zwei Sätze, die immer zwischen Hoffnung und Pessimismus oszillieren.

Wäre die Saison eine normale Saison, würde sich ab 18, 19 Uhr ein grün-weisser Strom aus allen Gegenden der Ostschweiz in einer Art Sternmarsch in Richtung St.Galler Westen aufmachen. Doch es ist keine normale Saison. Der 151er-Bus ist praktisch leer. Wer heute ein Bier in den Bus mitnimmt, muss anders als an normalen Matchtagen mit einer Ermahnung des Chauffeurs rechnen. Vor dem Stadion stehen nur wenige Fans und stimmen sich mit einem Bier auf das Spiel ein. An den Eingängen gibt’s keine Schlangen, dafür Desinfektionsmittel.

Doch so seltsam die Szenerie ist, die besondere Situation hat auch seine guten Seiten. Der Fistbump zum Beispiel hat sich als Begrüssung eingebürgert. Das mag ein Detail sein, aber wenn der normale Fan dem FCSG-Präsidenten Matthias Hüppi die Faust zur Begrüssung hinstreckt und er dies erwidert, hat das was Verschwörerisches. Etwas von «Wir gegen alle anderen».Und auch das Programm im Stadion ist eigentlich besser als vor Corona. Kein ritualisierter Einmarsch mit Einlaufkids; die Aufstellung wird verlesen und nicht vom Rasen auf die Tribüne geschrien; die Lautstärke der Boxen ist angenehm eingestellt; das Pausenprogramm entfällt. Es geht nur um eines: Fussball und die Interaktion der Zuschauer damit. Natürlich, von letzteren sind weitaus zu wenig da. Die Gesänge fehlen grösstenteils, ebenso die Fahnen und damit die Farben.

Der 6:0-Sieg der Espen wird zwar gefeiert, aber halt weniger als normal. Und nach dem Spiel stehen vor dem Stadion keine Menschenmassen, die darüber philosophieren, bei welchem Spiel der FC St.Gallen nun die Meisterschaft verspielt hat. Oder obs vielleicht doch am VAR lag. Und warum das ja alles auch irgendwie egal ist.

Dass das alles fehlt, zeigt sich einige Tage später umso deutlicher. Nur 1000 Leute können beim letzten Saisonspiel zusehen, wie die Berner zum dritten Mal in Folge den Pokal in die Höhe stemmen. Und St.Galler Fans, die trotz entschiedener Meisterschaft sicher in Massen nach Bern geströmt wären, sind gar keine da. Die Spieler erhalten ihren verdienten Applaus im Stadion nicht. Die Fans treffen sich in Gruppen in St.Gallen, feiern grösstenteils im kleineren Rahmen. Der FC St.Gallen hat sich wieder für Europa qualifiziert. Noch besser als in der Saison vor dem grossartigen Spartak-Triumph. Das Gefühl der Fans dürfte heute trotzdem ein anderes sein. Etwas fehlt.