Unter dem Titel «Geisterwoche» begleitet das SENF-Kollektiv den Rest der Saison 2020/21. In den letzten sieben Tagen stand der FCSG für einmal nur einmal im Einsatz: Beim 3:1-Sieg im Letzigrund. Dank diesem wird der 31. Juli wichtiger als der 1. August.
REMO GIBT DEM TEXT DARÜBER DEN TITEL «DIE HOFFNUNG STIRBT ZULETZT»
Eigentlich wollte ich es vermeiden, mit so einer Binsenwahrheit hinter dem Ofen hervorzukriechen. «Die Hoffnung stirbt zuletzt» ist das Mantra der ewigen Verlierer. Eine Durchhalteparole, die eigentlich in die Zeiten des FCSG unter fröhlicher Führung gehört und sicher nicht in diese «scho geile» Saison, die ein Auf und Ab mit ausnahmsweise mal deutlich mehr Aufs als Abs war.
Und doch stimmts eben: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Denn wer ehrlich ist, sieht: YB braucht noch einen Punkt zum dritten Meistertitel in Folge und kann diesen heute in Sion holen. YB wird diesen wahrscheinlich holen, denn die Berner verlieren entscheidende Spiele in letzter Zeit nicht mehr so zuverlässig wie noch in nicht allzu ferner Vergangenheit. Und Sion muss sich zwar noch gegen den Abstieg wehren, kommt bezüglich spielerischer Klasse und Mannschaftsgeist aber nie an YB heran.
Ein weiteres Mantra der Verlierer – der ewige Bundesliga-Zweite Dortmund braucht es etwa häufig – besagt: «Wenn die Konkurrenz patzt, müssen wir da sein.» Verliert YB in Sion, muss St.Gallen da sein, um ein Entscheidungsspiel in Bern zu erzwingen. Und in diesem – Achtung, Phrase Nummer drei – ist ja dann eh alles möglich. Wir sehen: An diesem 31. Juli gehts um jede Menge, womöglich sogar um alles. Wen interessiert da schon der 1. August? Es ist ja nicht einmal ein Wochentag, man hat weder ausserordentlich frei, noch kann man sich am Abend zuvor einmal zusätzlich betrinken. Pah.
Ein weiteres geflügeltes Wort trennt uns noch davon, überhaupt auf Schützenhilfe hoffen zu dürfen: Es gibt keine Kleinen mehr. Auch Xamax nicht, obwohl es als Absteiger feststeht. Ein Team kann nämlich sang- und klanglos absteigen oder dies mit Anstand tun. Da käme, befreit vom Druck des Abstiegskampfs, so ein Sieg beim Überraschungszweiten wohl gerade recht. Es würde die Stimmung am Neuenburgersee kaum heben, dem Verein steht eine schwierige Zukunft bevor – die Spieler kämpfen aber noch um neue Verträge und wollen sich zeigen. Das soll jetzt kein künstliches Starkreden des Gegners sein, aber hey, im letzten Spiel hatte St.Gallen mit Xamax sehr viel Mühe. Das wird kein Selbstläufer, um es mit Phrase #5 zu sagen.
St.Gallen war in Halbzeit Zwei da
Der letzte Samstag ist eigentlich recht schnell erzählt. Er begann auf dem Rebsteiner Fussballplatz Birkenau, wo sich der heimische FCR und die zweite Mannschaft des FC Widnau gegenüberstanden. Die Gäste, die in der gleichen Liga spielen, gewannen das Spiel. Das mag auf den ersten Blick überraschen, aber bei der Heimelf standen nur etwa sieben eigentliche «Eins»-Spieler auf dem Platz. Oder auch: Testspiele im Sommer sollte man nicht überbewerten.
Nicht hoch genug bewerten kann man allerdings die Stimmung, die an diesen jeweils herrscht: Besonders konzentriert waren die 124 Zuschauer nicht dabei, ihre Aufmerksamkeit galt mehr dem Verpflegungsangebot. Da dieses über jeden Zweifel erhaben war und im Dorf des Spiels eine Brauerei steht, ging es nach dem Spiel sofort zum geselligen Teil der Veranstaltung über. Werner Zünd erwähnte dabei, St.Gallen schone einige Stammkräfte und gehe mit einer unerwarteten Aufstellung ins Spiel. Als nach zwei Minuten das 1:0 für den FCSG fiel, nahm er dies zufrieden zur Kenntnis. Beim Zürcher Ausgleich nach einer Viertelstunde erinnerte er daran, das Spiel gehe noch 75 Minuten.
Im Letzigrund brach gerade etwa die Pause an, als Määni und Armin sich genug über Themen aus den Rheintaler Bauämtern ausgetauscht hatten. Nach einer fünfminütigen Velofahrt bekamen wir vor dem Fernseher dann gerade mit, dass Peter Zeidler zur Pause vier Auswechslungen tätigte. Nach gut 150 Sekunden zweiter Hälfte machte sich das schon ausbezahlt: Ermedin Demirovic flankte von rechts, Cedric Itten hielt in bester Stürmermanier seinen in grellem pink gekleideten Fuss hin und St.Gallen führte.
Fortan lief St.Gallen nie mehr Gefahr, das Spiel noch aus der Hand zu geben. Nachdem Jeremy Guillemenot (75.) auf 3:1 erhöhte, nahmen wir auf der Terrasse Platz, öffneten noch eine Dose Bier und stellten uns vor, wie es wohl wäre, an einem Montagabend ein Entscheidungsspiel um die Meisterschaft fernab vom Stadion verfolgen zu müssen. Keine schöne Vision, aber die einzige Möglichkeit für den FCSG, den Kübel zu holen – wenn er heute nicht patzt und YB patzt.