Geisterwoche #4: Wars das schon?
Ruben Schönenberger & SENF-Kollektiv,
17.07.2020,
Fans
Unter dem Titel «Geisterwoche» begleitet das SENF-Kollektiv den Rest der Saison 2020/21. Doch wie lange dauert dieser Rest noch? Ruben stellt sich diese Frage, während das Gastspiel des FCSG in Genf läuft. Das SENF-Kollektiv hält vorsichtshalber das Spiel gegen Luzern bildlich fest. Es könnte ja das letzte Spiel gewesen sein.
Als der FC St.Gallen in Genf zum Auswärtsspiel antritt, ist höchst unsicher, ob die seltsame Saison 2019/20 überhaupt zu Ende gespielt wird. Bekannt ist bisher erst, dass es beim FC Zürich Coronafälle gibt und dass die Mannschaft in Quarantäne ist. Dass der FCZ später auf die Idee kommen wird, die U21 – ein Promotion League-Team, das seit Monaten keinen Ernstkampf hatte – gegen den FC Basel spielen zu lassen, weiss da noch niemand.
Noch geht alles davon aus, dass auch dieses Spiel verschoben werden wird. Vielleicht auch noch jenes gegen YB. Zusammen mit der definitiv vertagten Partie gegen Sion wären das dann drei Spiele, die es nachzuholen gäbe. In einem Spielplan, der eigentlich nicht mal für ein Nachholspiel Platz lässt. Am 3. August erwartet die Uefa die Meldung, welche Teams im europäischen Wettbewerb mittun. Am 2. August findet das planmässig letzte Spiel statt. Und davor reiht sich eh schon eine englische Woche an die andere.
Welchen Wert hat diese Saison noch?
Der FC St.Gallen spielt also in Genf ohne zu wissen, ob er danach noch zu einem Einsatz kommt. Und ich hadere mit mir, welchen Wert ich dieser Saison eigentlich noch zumessen will. Die Kadenz an Spielen ist so hoch, dass eine einzelne Runde an Bedeutung verliert. Die bisherigen VAR-Entscheidungen waren so zermürbend, dass sich meine Ablehnung dem Videoschiri gegenüber zu einem echten Problem entwickelt, um den Spielen noch mit Freude folgen zu können. Und die Planlosigkeit der Liga erschüttert mich derart, dass ich gar nicht mehr mit einer vernünftigen Entscheidung zur Weiterführung der Liga rechne.
Und trotzdem will ich an diesem Sonntag um 16 Uhr unbedingt zuhause vor dem Fernseher sitzen. Den Sonntagsausflug planen meine Freundin und ich entsprechend. Wir lassen in unserem persönlichen Sonntagsplan ähnlich wenig Platz für Verzögerungen wie die Liga in ihrem Coronaplan. Die Aufstellung des FC St.Gallen erreicht mich in der Rorschach-Heiden-Bahn.
Ein Tor wie in der Premier League
Wir schaffen es rechtzeitig zurück, die kleine Verspätung in Genf nehme ich gern mit, um noch ein Bier öffnen zu können, bevor der Schiri anpfeift. Das Spiel entwickelt sich nicht gleich intensiv wie die letzten Spiele des FC St.Gallen. Ob sich da zeigt, dass so viele Spiele in so kurzer Zeit an die Substanz gehen? Trotzdem geht St.Gallen in Führung. Rüfli schiesst aus der Distanz, ein Tor wie in der Premier League. Ich frage mich: War das der Treffer zum Meistertitel? Wird die Saison abgebrochen? Und wenn ja: Wird der Leader zum Meister erklärt?
St.Gallen kann das Spiel nicht wirklich bestimmen. Das in dieser Saison bemerkenswert gut spielende Servette kommt zum Ausgleich. Macht uns ein 1:1 von Servette zum Meister? Hatten wir ja auch schon mal. Am Schluss reicht es in der Calvinstadt – so nennt man Genf als Teleclub-Kommentator offenbar – tatsächlich nur zu diesem einen Punkt. Nur? Vielleicht reicht dieser eine Punkt ja. St.Gallen ist wieder Leader. Doch bringt das überhaupt noch was? War das vielleicht sogar das letzte Spiel des FC St.Gallen in dieser Saison? Und wenn ja: Sind wir dann Meister? Oder wird YB als Wintermeister zum Titelträger erkoren? Oder gar niemand? Wer spielt dann Champions League? Es bleiben nach diesem Spiel vor allem Fragen.
Ja, wir haben euch Leserinnen und Leser in der letzten Zeit mit langen thematischen Texten strapaziert. Deshalb lassen wir zu St.Gallen gegen Luzern das Bild sprechen. Oder besser: Die Bilder davon, wie das Kollektiv das Spiel verfolgt hat.
Andrin beschreibt seinen Eindruck vom Spiel so: «Öl auf Leinwand, Kunstepoche: Spätromantik».
Arcangelo ist am arbeiten – und tut dies nach dem Motto «Trotz Abenddienst das Beste daraus machen ✌».
Daniel ist im Tessin am Zelten und sein Nachwuchs schaut die Guetnachtgschicht. «#WievielStohts? #GöndEndlichGoSchloofe», schreibt er dazu.
«3 Pünkt + e Libli für mi» schreibt Dario zu seinen zwei Erfolgsmomenten des Tages.
Fabian ist im Clublokal des zentralsten Fussballclubs der Stadt St.Gallen und «merkt, wo er inelauft, dass scho 3:0 stoht».
Florian trinkt statt ein Schüga einen Schoggidrink. Und schreibt: «Vor derä Tatsach verschlüsst sogar de Itten d Augä.»
Nicole schaut als «Ostschweizer Exilantin in der restschweizerischen Diaspora» das Spiel bei sich zuhause - im Sinne von Renato Kaisers «Uufpassä, nöd aapassä!» - und tauscht sich mit ihren Fussball-Freund*innen via Messaging-Dienste aus. Man munkelt, dass man manchmal in den letzten Wochen in Basel ein leises «hopp Sanggallä hopp Sanggallä hopp Sanggallä» hören konnte.
Remo, der Pay-TV-Zweifler von letzter Woche, hat wegen des ausufernden ersten Tages am Rebsteiner Pokalturnier einen «Saukater» und schaut das Spiel ganz profan zuhause. Im Bezahlfernsehen.
R.S. hat sich, wie im Ticker angesprochen, als Paparazzo betätigt und C.C. bei der Arbeit fotografiert. Er schreibt dazu: «Er tickeret und nimmt es Citro. Jesses. Schriebed über de Match usm Stadion.»
Roland hat seine Vorliebe für verrauchte Hinterzimmer schon in seinem Text zu St.Gallen gegen Sion ausgedrückt. Er wiederholt sich hier.
Ruben «goht im Tessin go esse und luegt s'erscht mol bi 3:0 ufs Handy». Tja, da hat er etwas verpasst.
Soraya gehört auch zu denen, die das Spiel zuhause schauen. Und sie «fangt schomol ah 7:1, 7:1, 7:1 vor sich hi summe.»
Thomas, der Misserfolgsfan, Katzenliebhaber und Gastautor von letzter Woche, schreibt: «Die zwei zeigen sich aktiver als ich, einer zumindest...» Thomas hat die ersten 35 Minuten verschlafen. Zum Glück hat er nichts verpasst.