Für Stadt und Aktiengesellschaft – GV des FC St. Gallen

Da ist er, der erste Vergleich des Abends. Eine halbe Minute ist vergangen, da setzt Matthias Hüppi die gut gefüllte Olma-Halle dem Stadion im Westen der Stadt gleich. Es sollte nur ein Beispiel an einem Abend voller Alliterationen und Metaphern sein.

Wer selbst den Flug von Startnummer 47 über den Silberhornsprung mit Elan kommentierte, der braucht auch an einer Generalversammlung keine Anlaufzeit. «Vorwärts soll es gehen», meint der FCSG-Präsident denn auch. Er begrüsst Lokalpolitiker, spricht gängige Schlagworte und zählt die Namen der Hauptaktionäre auf. Weiter geht es mit emotionalen Bildwelten und von dramatischer Musik begleiteten Videos, während der 63-Jährige die vergangene Saison rekapituliert. Der FCSG ist spätestens seit dem Wechsel des SRF-Moderators von Leutschenbach zurück nach St. Gallen zum eigenen Medienunternehmen avanciert.

Auf ein «mir hend gwunne» schiebt Hüppi ein «aso üsi mannschaft» nach und erinnert mit Phrasen wie «So isches und do wird sich nüt dra ändere» an das Liedgut aus dem Espenblock. Tatsächlich sind es jene Momente, die mir an diesem Abend am ehesten das Gefühl der Zusammengehörigkeit suggerieren, das ich innerhalb des «Vereins» zuletzt an einem Mittwochabend im Gästeblock in Chiasso erlebt habe.

Schmerzhafte Erinnerungen

Hüppi rollt die Niederlage in der Europa-League-Qualifikation gegen AEK Athen auf, unterstreicht den Saisonverlauf mit einer grün-weiss gefärbten Achterbahn. Er kennt die Resultate einzelner Spiele – nur Tomi Wunder in der letzten Reihe zeigt sich unbeeindruckt. Die Serie von acht Spielen ohne Sieg überspringt Hüppi gekonnt – Basil Stillharts weisse Haarpracht auf der Leinwand stiftet dankbare Ablenkung. Sobald der Präsident einen Akteur herausgepickt hat, beschwichtigt er und verweist auf das Kollektiv.

Die Impressionen des verlorenen Cupfinals scheinen mehr zu schmerzen als die 400‘000 Franken, die dem Klub mit jedem Geisterspiel entgangen sind. Dennoch verzeichnet die Aktiengesellschaft einen Gewinn von 879‘000 Franken. Hüppi sieht sich zu einer Erklärung verpflichtet. Er streicht die Wichtigkeit der «Solidarität durch alle Stufen der Gesellschaft» heraus. Wird damit bereits mit Weitsicht auf die finanzielle Abfederung der 5. Welle hingearbeitet? Tatsächlich sind die durchschnittlich 14‘000 Fans seit der Rückkehr der Zuschauer ins Stadion bemerkenswert und gar mehr als noch vor der Pandemie. Ticken wir in der Ostschweiz anders? Meine Frage wird prompt beantwortet, als ein Aktionär aus dem Publikum tritt und dem Verwaltungsrat eine Eloge vorträgt. Tatsächlich muss man Hüppi und Co. zugutehalten, dass sie den einfachen Fan dazu bewogen haben, seinen entgangenen Betrag aus der Saisonkarte stolz einer Aktiengesellschaft zuzuschaufeln, die selbst im Krisenjahr im hohen sechsstelligen Bereich Gewinn erzielt.

Wer sich davon berührt zeigt, wird mit zugepflasterten Folien zur finanziellen Lage schnell wieder runtergeholt. Dass heute nicht die UBS in der Halle 2.1 tagt, fällt spätestens auf, als statt näheren Ausführungen zu einer konsolidierten Erfolgsrechnung, den über 600 Aktionären erklärt wird, was ein Gewinn ist.

Der Wunsch, anders zu sein

Und dann übt die St. Galler Führung gar noch Kritik. Nicht etwa der harmoniebedürftige Hüppi, der stets alles «cool» oder «lässig» findet, sondern Finanzchef Christoph Hammer. Mit der rhetorischen Frage, was denn hier abgehe, läutet er eine Folie ein, die das aktuelle Teilnehmerfeld der Super League zeigt. Hammer weist auf die finanziellen Abhängigkeiten einzelner Klubs hin. Tatsächlich sind die Beispiele aus Lugano (Joe Mansueto), Luzern (Bernhard Alpstaeg) oder Zürich (Ancillo Canepa) aus St. Galler Sicht weiterhin erschreckend.

Ohne aber näher darauf einzugehen, dass etwa bei Lausanne-Sport und GC durch Partnerschaften mit Nizza und Wolverhampton das langfristige Ziel der Ausbildungsliga durch die passive Haltung seitens der SFL gefährdet ist, leitet Hammer nun daraus die Konsequenzen für den FCSG ab. Durch das breite Aktionariat soll das Klumpenrisiko und die Abhängigkeit eines Investors verhindert werden, konstatiert der ehemalige CFO der SBB.

«Wir wollen der Gegenentwurf sein», ergänzt Hüppi und spricht von sechs Handlungsfeldern, die diesen verdeutlichen. Der FC St. Gallen richte seine Interessen auf die 1. Mannschaft, den Nachwuchs, die Region, die Wirtschaftlichkeit, die Organisation sowie die Kultur resp. die Kommunikation. Während Hüppi auf die anstehende Kapitalerhöhung eingeht, gibt sich das Team von Peter Zeidler demonstrativ nah und verteilt Trikots im Publikum. Kwadwo Duah lächelt scheu, als er seines einem glücklichen Fan in die Hände drückt.