Erster Rang nach 23 Spielen, die beste Saison seit langer Zeit: Die Ausgangslage für den FC St.Gallen könnte dazu verleiten, vehement die Fortsetzung der Saison oder den sofortigen Abbruch und die Ernennung des FC St.Gallen zum Meister der Saison 2019/20 zu fordern.
Umso mehr überraschte Alain Sutter, Sportchef des FC St.Gallen, mit seinem klaren und tiefgängigen Statement in der Espenrunde, dem neuen Talkformat des FC St.Gallen. «Meiner Meinung nach ist es nicht der Zeitpunkt, Fussball zu spielen. Dieser ist erst gegeben, wenn die Spieler gemeinsam ins Stadion fahren und gemeinsam duschen können.»
Menschen vor Finanzen
Die Deutlichkeit seiner Aussagen ist in der Schweizer Clublandschaft neu. Und die Argumente, warum sich Alain Sutter gegen die Fortsetzung der Saison ausspricht, sind es ebenfalls. Zu keiner Zeit erwähnte er die entgehenden Einnahmen oder die sich anbahnenden finanziellen Herausforderungen. Für ihn steht der Mensch und nicht der Fussballer oder das Geld an erster Stelle. Er zeigte viel Empathie für seine Spieler. Sie seien keine Gladiatoren, die den Löwen zum Frass vorgeworfen werden sollen. Brot und Spiele: Nicht mit dem Sportchef des FC St.Gallen.
Alain Sutter ist bekannt dafür, seine Meinung zu sagen. Er scheut sich nicht davor, unangenehme Dinge anzusprechen und mit seinen Aussagen anzuecken. Persönlichkeiten wie Alain Sutter werden immer rarer im Fussballbusiness. Umso erfrischender, dass es sie noch gibt. Und dass man sie machen lässt.
Hüppi positioniert den FCSG als Teil der Gesellschaft
Für seine eindeutigen Aussagen wählte Alain Sutter mit der Espenrunde einen clubeigenen Talk. Präsident Matthias Hüppi war ebenfalls Gast, als Alain Sutter diese klaren Worte wählte. Matthias Hüppi hätte das Statement von Alain Sutter unterbinden und ihm diese Plattform verwehren können. Die Grundsatzfragen, die Alain Sutter aufgeworfen hat, seien aber völlig zurecht gestellt worden, sagte Hüppi. «Es ist richtig und wichtig, dass Alain Sutter diese Position bezieht.»
Der FC St.Gallen und seine Führung bestechen in dieser schwierigen Zeit dank Weitsichtigkeit, Empathie und Zusammenhalt. Während sich andernorts Clubs und Ligen selber so wichtig nehmen, als könnten sie im Alleingang die Krise für die gesamte Gesellschaft ertragbar machen, sieht sich der FC St.Gallen als Teil der Gesellschaft. Nicht wichtiger, nicht weniger wichtig. Gleich wichtig. Wenig überraschend zeigen auch die Fans eine grosse Solidarität, verzichten auf eine Rückerstattung und verlängern ihr Saisonabo zu Tausenden um eine weitere Saison. Die grün-weisse Welle ist noch grösser geworden. Ob Führung, Spieler, Fans oder Sponsoren: Alle ziehen an einem Strick.